Bußgeldkatalog StVO – Gerichtsurteile aus dem Verkehrsrecht
Die StVO schreibt die grundlegenden Verkehrsregeln vor. Im aktuellen Bußgeldkatalog erfahren Sie Wissenswertes über Strafen und Mithaftung sowie Gerichtsurteile aus dem Verkehrsrecht.
Nachfolgend finden Sie Urteile aus dem Verkehrsrecht:
Gerichtsurteil zur Mithaftung – Zu geringer Abstand nach rechts
Wer zu weit rechts an parkenden Autos entlang fährt, muss mit einer Mithaftung von 50 Prozent rechnen, wenn sich bei einem der dort stehenden Fahrzeuge die Tür öffnet und es dadurch zu einem Unfall kommt. Dies hat das Kammergericht Berlin entschieden.
Im konkreten Fall war ein Autofahrer wegen einer in der Straßenmitte fahrenden Straßenbahn recht nah an einer Reihe rechts parkender Autos vorbeigefahren, als plötzlich eine linke Seitentür so weit geöffnet wurde, dass diese in die Fahrbahn hineinragte. Wie weit, konnte nicht geklärt werden. Da sich dies unmittelbar vor dem Autofahrer abspielte, hatte er keine Chance, den Unfall zu vermeiden. Die Richter entschieden zwar, dass der im parkenden Fahrzeug sitzende Fahrer eindeutig die beim Ein- und Aussteigen erforderliche besondere Sorgfalt missachtet habe. Wer in solch einer Situation die linke Wagentür öffnen wolle, müsse zunächst nach hinten schauen. Reiche dieser Rückblick nicht weit genug, dürfe die Tür nur langsam und spaltweise bis zu zehn Zentimetern geöffnet werden.
Allerdings treffe auch den Fahrer eine Mitschuld, da er nach rechts zu den parkenden Fahrzeugen nur einen Abstand von 30 Zentimetern, vielleicht sogar noch weniger eingehalten habe. Dieser Seitenabstand sei deutlich zu gering gewesen und rechtfertige daher eine Mithaftung in Höhe von 50 Prozent.
(Kammergericht Berlin, Az.: 12 U 151/04)
Verkehrsregeln auf dem Privatparkplatz
Auf Parkplätzen, die dem ruhenden und nicht dem fließenden Verkehr dienen, finden die Regeln über die Vorfahrt im Straßenverkehr nur eingeschränkte Anwendung. Dagegen ist das Gebot der gegenseitigen Rücksichtnahme und der gegenseitigen Verständigung im erhöhten Maße zu beachten. Auch wenn die auf einem Parkplatz angelegten Fahrspuren eindeutig Straßencharakter haben, darf der von rechts Kommende nicht ohne weiteres darauf vertrauen, dass ihm der Vorrang eingeräumt wird. Zudem muss auf Parkplätzen, auf denen stets mit ein- und ausparkenden bzw. rangierenden Fahrzeugen zu rechnen ist, besonders aufmerksam und immer bremsbereit mit angemessener Geschwindigkeit gefahren werden, die regelmäßig nicht mehr als 10 km/h betragen darf.
(Amtsgericht München, Az.: 343 C 28802/06)
Nicht immer trägt der Auffahrende die volle Schuld
„Wer auffährt, hat Schuld.“ Ein Grundsatz, der lange unverrückbar schien. Muss ein Autofahrer laut Straßenverkehrsordnung schließlich doch jederzeit in der Lage sein, sein Fahrzeug rechtzeitig anhalten zu können. In letzter Zeit ist diese Rechtsprechung durch einige Urteile etwas gelockert, realitätsnäher geworden. Im konkreten Fall hat ein Autofahrer für ein Eichhörnchen eine Vollbremsung absolviert und muss 25 Prozent des Schadens selbst tragen.
Konkret hatte ein Autofahrer seinen Wagen wegen eines über die Fahrbahn laufenden Eichhörnchens unvermittelt scharf abgebremst. Doch statt vorn krachte es hinten. Der Hintermann hatte auf den für ihn nicht vorhersehbaren Stopp nämlich zu spät reagiert und war auf den „Tierliebhaber“ aufgefahren. Die gegnerische Versicherung bot ihm nur einen Teilbetrag zur Schadensregulierung an. Er klagte am Nürnberger Amtsgericht.
Dort urteilten die Richter, dass das Verschulden hauptsächlich bei dem nachfolgenden Autofahrer liege, da er keinen genügenden Sicherheitsabstand eingehalten habe. Zu berücksichtigen sei jedoch auch, dass der Kläger unnötigerweise abrupt gebremst habe, da bei kleineren Tieren die allgemeine Verkehrssicherheit stets vorgehe. Da aber immer dann, wenn das Bremsen im Prinzip nicht nötig, also nicht unabwendbar sei, der bremsende Autofahrer eine Mitschuld trage, müsse der Geschädigte wegen seines Verhaltens 25 Prozent seines Schadens selbst tragen.
(Amtsgericht München, Az.: 13 C 4238/05)
Quelle der Gerichtsurteile: Deutsche Anwaltshotline und Juristischer Literatur-Pressedienst
Interessante Informationen zum Thema Verkehrsstrafen, Mithaftung, Bußgelder und Fahrverbote:
- Wohnanhänger oder Reisemobile im Wohngebiet abstellen – Während der Corona-Pandemie hat Urlaub mit dem Wohnmobil oder Wohnwagen stark an Beliebtheit gewonnen. Außerhalb der Urlaubszeit werden immer mehr dieser Fahrzeuge über Monate in Wohngebieten abgestellt. Ist das laut Straßenverkehrsordnung (StVO) erlaubt?
- Auch bei dichtem Nebel sicher ans Ziel kommen – Viele Autofahrer verlassen sich in der dunklen Jahreszeit auf die Lichtautomatik, die das Abblendlicht selbstständig aktiviert. Experten warnen, der Lichtsensor kann Nebel und diesiges Wetter nicht erkennen.
- Streifkollision zwischen Lastwagen- und PKW-Fahrer – Die Ortskundigkeit eines beteiligten Verkehrsteilnehmers kann bei einem Unfall zu erhöhter Mitschuld führen. Das Gericht entschied, dass beiden Fahrern eine Mitschuld zuzusprechen ist. Jedoch wurden dem Autofahrer, aufgrund seiner Ortskenntnisse, mit 60 Prozent das überwiegende Verschulden angelastet.
- Rückschau-Pflicht laut StVO – Nicht nur das Fahren mit Sicherheitsgurt kann bei einem Unfall sehr teuer werden, sondern auch der fehlende Schulterblick. Jeder Autofahrer, der auf den Schulterblick verzichtet, kommt seiner vom Gesetz (§ 9 Abs. 1 StVO) geforderten Sorgfaltspflicht nicht nach und haftet daher allein für daraus entstandene Schäden.
- Rettungsgasse auf Autobahnen oder auf zwei- und mehrspurigen Außerortsstraßen – Wie die Rettungsgasse gebildet werden soll, ist in der Straßenverkehrsordnung klar geregelt.
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