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EU Strafzettel – Ausländische Bußgeldbescheide dürfen nicht mehr ignoriert werden

EU Strafzettel – Praxisfragen und erste Erfahrungen. Vollstreckt werden Bußgelder die einem Betrag von mindestens 70 Euro einschließlich eventueller Verfahrenskosten entsprechen.

Die AvD Podiumsdiskussion „Grenzüberschreitende Geldbußenvollstreckung in Europa“, die vergangenen Freitag in Berlin im Rahmen der Tagung der AvD Vertrauensrechtsanwälte stattfand, befasste sich mit dem in Deutschland neu eingeführten Verfahren. Vertreter des federführenden Bundesamtes für Justiz (BfJ) standen nach einer Einführung in das Thema insbesondere zu Praxisfragen und ersten Erfahrungen Rede und Antwort.
Vor einem interessierten Publikum, zu dem AvD Vertrauensrechtsanwälte und Fachjuristen aus dem In- und Ausland gehörten, moderierte der Generalsekretär des Automobilclub von Deutschland e. V., Matthias Braun, die Veranstaltung.
„Den Betroffenen ist ein faires Verfahren zu sichern. Da bisher noch wenige Vollstreckungsverfahren entschieden sind, bestehen Unsicherheiten für alle Beteiligten.“ fasste Matthias Braun nach der Diskussion zusammen. „Der AvD mahnt deshalb die Prüfung des Einzelfalls auf Grundlage der vollständigen Verfahrensakte an.“
Die Vollstreckung von rechtskräftig verhängten Geldsanktionen anderer EU-Staaten wegen Verkehrsübertretungen ist aufgrund des EU-Rahmenbeschlusses und des im Oktober 2010 in Kraft getretenen „Geldsanktionsgesetzes“ auch in Deutschland möglich. Neben Deutschland haben fast alle EU-Staaten bis auf Italien den EU-Rahmenbeschluss umgesetzt.

Bußgelder ab 70 Euro werden vollstreckt
Vollstreckt werden Geldsanktionen wegen Verstößen gegen Vorschriften des Straßenverkehrs und gegen Lenk- und Ruhezeiten, die einem Betrag von mindestens 70 Euro einschließlich eventueller Verfahrenskosten entsprechen. Nach durchgeführter Vollstreckung werden die vom BfJ eingeforderten Beträge den deutschen staatlichen Kassen gutgeschrieben. Umgekehrt bleiben von deutschen Behörden im Ausland eingeforderte Bußgelder dort bei den staatlichen Stellen.
Das Vollstreckungsverfahren beginnt, wenn ein EU-Mitgliedstaat dem BfJ Unterlagen zur Prüfung vorlegt. Das BfJ muss das Ersuchen dann zurückweisen, wenn z. B. die Mindestvollstreckungssumme von 70 Euro nicht erreicht oder aus den Unterlagen hervorgeht, dass der Betroffene im Ausgangsverfahren nicht über seine Rechte belehrt worden ist.

Betroffene sollten Einwände vorbringen
Der AvD empfiehlt den Betroffenen auf im Ausland erhobene Vorwürfe möglichst früh zu reagieren. Um abschätzen zu können, in welchen Situationen Einwände vorgebracht werden sollten, ist juristische Beratung sinnvoll. AvD Mitglieder können sich an die AvD Rechtsabteilung wenden und sich beraten lassen.

Ein wichtiger Einwand für den Betroffenen kann die Tatsache sein, das Kraftfahrzeug zum vorgeworfenen Zeitpunkt nicht selbst gefahren zu haben. Die ersten deutschen Entscheidungen (z. B. OLG Düsseldorf, B. v. 9.2.2012, Az.: III-3 AR 6/11) zum Vollstreckungsverfahren verlangen, dass der betroffene Halter diesen Einwand dem Bundesamt vortragen muss. Andernfalls kann vollstreckt werden. Das Bundesamt darf nach dem Geldsanktionsgesetz anhand der von der ausländischen Behörde vorgelegten Unterlagen nur prüfen, ob der Betroffene im Ausgangsverfahren vortragen konnte, nicht gefahren zu sein. Den Einwand erheben muss der Betroffene selbst.

Betroffene sollten aus dem Ausland übersandte Schriftstücke unbedingt aufbewahren.

Übersetzung der Bußgeldbescheide in die Landessprache des Betroffenen ist Pflicht.
Der AvD weist darauf hin, dass betroffene Autofahrer nach den europäischen Rechtshilfeübereinkommen das Recht haben, die Bußgeldbescheide bzw. Urteile der ausländischen Behörden in der eigenen Landessprache übersetzt zu erhalten. Bei Missachtung dieser Verpflichtung muss das Bundesamt dementsprechend ein Vollstreckungsersuchen aus dem Ausland zurückweisen.

Laut Aussage des Bundesamtes wird derzeit geprüft, ob die vor dem EU-Rahmenbeschluss von Deutschland abgeschlossenen bilateralen Vollstreckungsabkommen – insbesondere mit Österreich – weiterhin in Kraft bleiben können. So lässt Österreich z. B. schon seit über 20 Jahren rechtskräftige Bußgeldbescheide ab 25 DM vollstrecken. Die Frage, ob angesichts des umfassenderen EU-Rahmenbeschlusses sonstige Vollstreckungsvereinbarungen zwischen EU-Mitgliedstaaten gekündigt werden müssen, wird juristisch kontrovers diskutiert. Nicht zuletzt im Sinne der Rechtssicherheit und -klarheit spricht sich der AvD dafür aus, dass künftig lediglich der EU-Rahmenbeschluss zur Anwendung kommt.

Ausländische Inkassobüros sind keine staatlichen Behörden
Die in verschiedenen europäischen Staaten zur Beitreibung von Bußgeldern eingeschalteten privaten Firmen wie European Parking Collection oder NIVI haben keine staatlichen Befugnisse. Der AvD rät, Zahlungsaufforderungen wegen Verkehrssünden, die von solchen Privatfirmen versendet werden, nicht einfach zu zahlen, sondern sie überprüfen zu lassen. Auch hier können sich AvD Mitglieder an ihre Rechtsabteilung wenden, die AvD Vertrauensanwälte für eine Vertretung empfehlen können. avd.de


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